Formelzeichnungen im Wandel der Zeit

Die grafische Darstellung der Strukturformeln organischer Moleküle hat sich im Lauf der Zeit entwickelt, wobei theoretisches Wissen, technische Aspekte und Fragen der Ästhetik eine Rolle gespielt haben.

Aktuell beobachtet man die sprunghafte Zunahme der Verwendung von Farbe in Strukturformeln, um konzeptionelle Inhalte zu transportieren. Viele Journale erscheinen heute nur noch in elektronischer Form, zuvor hatten die Kosten für den Farbdruck die Verwendung von Farbe eingeschränkt.

1863

Darstellungen im Sinn der "neueren Typentheorie", die nicht als Strukturen zu interpretieren sind sondern als Symbolismus für Kombinationen von Typen in definierten Zahlenverhältnissen.

Organische Verbindungen leiten sich in dieser Sicht von anorganischen Grundtypen ab (NH3, Ammoniak; H2O, Wasser), in denen einzelne Wasserstoffe durch organische Reste (Radikale) ersetzt sind, hier durch das zweiwertige Oxalylradikal (C2O2).

1865

1865 Kekules Darstellung der Benzolstruktur: (Annalen der Chemie)

1866

1866 Erlenmeyer, Diskussion der Konstitution des Glycerins: (Annalen der Chemie)

1870

(Annalen der Chemie)

(Annalen der Chemie)

1872

Auch 1872 kann man noch Typendarstellungen finden (Annalen der Chemie).

1874

(Ber. Dtsch. Chem. Ges.) 

1880

(Ber. Dtsch. Chem. Ges.)

1890

(Monatsh. Chem.) 

1932

(J. Pract. Chem.) 

1952

(J. Am. Chem. Soc.)

1952 (J. Chem. Soc.) 

1953

Weshalb diese indischen Autoren ihre Formeln nicht setzen liessen ist nicht mitgeteilt. Handgezeichnete Formeln waren sonst in dem Journal kaum zu finden, entweder wurden die Formeln durch den Schriftsetzer erstellt, oder als Faksimile von Schablonenzeichnungen abgedruckt (J. Org. Chem.).

1960 ff – Lateinische vs Arabische Ziffern für Substanzen

Substanzen wurden traditionell mit lateinischen Ziffern nummeriert. Nach Aussagen von Louis Fieser basiert die Umstellung auf fett gedruckte arabische Ziffern auf einem Vorschlag seinerseits aus dem Jahr 1960:

"A useful reform in the writing of chemical papers was suggested in a footnote to a paper of 1960: Write formula numbers in boldface arabic type, rather than in roman numerals. Authors of review articles seem particularly prone to inflict on readers archaic and difficult-to-translate numerals such as CCCLXIX. I am glad to say that this suggestion has gained rapid acceptance and that more and more authors, both here and abroad, are using boldface formula numbers."

 

Eine durchaus sinnvolle Neuerung. Die Aussage von Fieser scheint insbesondere glaubhaft, weil das Ehepaar Fieser im selben Jahr einen Style Guide für chemisches Publizieren veröffentlicht hat: L. F. Fieser, M. Fieser, "Style Guide for Chemists," Reinhold, N.Y., 1960.

L. F. Fieser, “Innovations in writing, teaching, and experimentation,” Journal of Chemical Education, vol. 44, no. 9, p. 490, Sep. 1967. doi.org/10.1021/ed044p490

1961

(Chem. Ber.)

1962

Derartige Darstellungen könnten mit Schablonen gezeichnet worden sein (Chem. Rev.).

1965

(J. Am. Chem. Soc.)

1966

(Chem. Ber.) 

1970

Ebenfalls Schablonen ? (Chemical Communications)

(Helv. Chim. Acta)

(JOC)

(JACS)

1975

(Angew. Chem. Int. Ed.)

Weil in Tetrahedron Letters Manuskripte als Faksimile abgedruckt wurden, konnten die Strukturformeln je nach Autor unterschiedlich aussehen.

1977

JACS

J. Am. Chem. Soc.

1979

1979 (Synthesis)

1983

J. Org. Chem.

(Tetrahedron Lett.)

1985

Das Programm „ChemDraw" zur Erstellung von Strukturformeln wurde 1985/1986 eingeführt, siehe: http://onlinelibrary.wiley.com/store/10.1002/anie.201405820 

1987

1987 (Helv. Chim. Acta) - ein später Artikel des Nobelpreisträgers Tadeus Reichstein (1897–1996) im Alter von 90 Jahren. 

1988

(Synthesis) 

1993

J. Am. Chem. Soc.

J. Mol. Cat.

Organometallics

Tetrahedron

1998

(Angew. Chem.)

JACS

2005

2005 (J. Am. Chem. Soc.)

Synthesis

2013

(Angew. Chem.)

Chem. Cat. Chem.

JACS

2015/6

Nachdem viele wissenschaftlichen Journale nur noch online erscheinen, haben sich Farben recht schnell für diverse funktionale Zwecke durchgesetzt. Neben klassischen Farben (rot, blau) werden zunehmend auch alternative Farbpaletten (türkis, purpur) und Farben mit Beimischungen von Grautönen verwendet, die weniger kontrastieren und besser lesbar sind. Die Grafiken in den Publikationen nähern sich denjenigen in den Powerpoint- (bzw. Keynote-) Präsentationen an.

JACS

Tetrahedron Lett.

Wie geht es weiter?

Sicher wird sich die Formeldarstellung auch in den kommenden Jahren weiter verändern. Es ist möglich, dass zunehmend animierte oder interaktive 3D-Darstellungen zum Einsatz kommen werden. Allerdings ist eine konservative Haltung nicht falsch, weil (teils kurzlebige) technische Neuerungen zu Problemen bei der langfristigen Lesbarkeit führen. Der Übergang zu "online only" Publikationsformen schafft hier sicher Probleme der langfristigen Archivierung.