Forschung
Der Werner Siemens-Lehrstuhl für Synthetische Biotechnologie befasst sich mit biotechnologischen Verfahren zur Umwandlung von Biomasse in Plattform- und Spezialchemikalien für die chemische, pharmazeutische und Nahrungsmittelindustrie. Kernthemen der Arbeitsgruppe sind die Isolation, Charakteriserung und prozessnahe Optimierung von Enzymen durch Kombination moderner Genom- und Proteom-Technologien. Wir nutzen dafür die Werkzeuge der synthetischen Biologie zur Herstellung maßgeschneideter Ganzzellbiokatalysatoren. Ein besonderes Themengebiet ist die Nutzung und Optimierung phototropher, aquatischer Organismen zur Darstellung industriell relevanter Reaktionen.
Schwerpunkte
- Bioraffineriekonzepte
- Synthetische Biologie
- Prozessoptimierte Biokatalysatoren
- Ganzzellbiokatalysatoren (Stämme)
- Enzyme
Technologie
- Metagenomik
- Proteomik
- Stamm Optimierung
- Neue Hoch-Durchsatz Testentwicklung
- Instrumentelle Analytik

Die Forschung stützt sich auf fünf Säulen:
1. Algenbiotechnologie für den Energie-, Chemie-, Bau- und Lebensmittelsektor
Mikroalgen sind die effizientesten biotechnologischen Werkzeuge für die photosynthetische Umwandlung des Treibhausgases CO2 in wertschöpfende chemische Produkte. Die Brück-Gruppe hat nachhaltige, auf Algen ausgerichtete Forschungsaktivitäten, die sich auf die Produktion von Biokraftstoffen für die Luftfahrt, nachhaltige Kohlenstofffasern, das Recycling von Seltenen Erden und Edelmetallen aus Abwässern und die Produktion von gereinigten Algenproteinen für die menschliche Nahrungsmittelproduktion konzentrieren. In diesem Zusammenhang deckt Brück Aktivitäten von der Algenidentifizierung, dem Screening (Labor) und der Kultivierung (Labor bis zum technischen 500L-Maßstab im TUM AlgaeTech Center) bis hin zur Isolierung und Qualifizierung von algenbasierten Produkten ab. Die meisten Projekte werden mit internationalen akademischen und industriellen Partnern durchgeführt (z.B. www.tum-create.edu.sg/research/proteins4singapore). Die Forschungsaktivitäten haben zu zahlreichen Veröffentlichungen und Patenten geführt, wobei insbesondere die Produktion von algenbasierten Kohlenstofffasern mit einer Erwähnung im IPCC1.5-Bericht (https://www.ipcc.ch/sr15/) als industriell relevante Kohlenstoffsenke zu globaler Aufmerksamkeit führte und zur Gründung des Start-ups CleanCarbon Technologies GmbH, das das Technologieportfolio kommerzialisiert. Die auf Algen basierende Kohlenstofffasertechnologie bietet einen CO2-negativen und energiesparenden Weg zur Herstellung dieses leichten, hochleistungsfähigen Materials, der anders nicht zu erreichen ist. Das Material ermöglicht den Bau von leichten, CO2-neutralen Autos, Flugzeugen und Häusern, die mit Strom oder Biokraftstoffen betrieben werden. Daher ist die Technologie ein Meilenstein auf dem Weg zur Dekarbonisierung des globalen Mobilitäts- und Gebäudesektors. Darüber hinaus sind alle von der Brück-Gruppe entwickelten Algentechnologien skalierbar und bieten einen Weg zur Wertschöpfung aus Treibhausgasen, verbunden mit positiven Auswirkungen auf terrestrische und marine Ökosysteme, wie das Beispiel der algenbasierten Metallrecyclingtechnologie zeigt, die das Auslaugen von Metallen in das globale Ökosystem verhindert, wo sie toxische Auswirkungen auf Organismen haben können. Die Produktion von Algenproteinen für die menschliche Ernährung fördert die Widerstandsfähigkeit des globalen Nahrungsmittelsystems gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels und bietet Antworten auf die Ernährung einer weiter wachsenden Bevölkerung. Die auf Algen ausgerichtete Forschung der Brück-Gruppe zielt auf die SDGs 2-4,6, 7-15.

2. Mikrobielle Ölproduktion (Hefe):
Pflanzenöl (Triglyceride) wie Palm-, Raps- und Kakaobutteröl sind begehrte Rohstoffe der ersten Generation für die Lebensmittel-, Chemie-, Kosmetik-, Pharma- und Biokraftstoffindustrie. Insbesondere tropische Pflanzenöle wie Palmöl und Kakaobutter sind mit erheblichen Landnutzungsänderungen, der Zerstörung von Tropenwäldern, negativen Auswirkungen auf die biologische Vielfalt sowie mit Kinder- und Sklavenarbeit verbunden. Die Auswirkungen des Klimawandels führen zu einer Verringerung der landwirtschaftlichen Nutzfläche und einem verstärkten Auftreten von Pflanzenkrankheiten, was wiederum zu einem geringeren Ertrag an Pflanzenöl und steigenden Marktpreisen führt, was ein Risiko für die Lieferkette in verschiedenen Industriesektoren darstellt. Mikrobielle Öle, wie z. B. Hefeöl, können diese Situation entschärfen. Hefeöl kann mit industriell etablierten Fermentationstechnologien kultiviert werden, ohne dass landwirtschaftliche Flächen benötigt werden und ohne dass negative Auswirkungen auf Ökosysteme und die biologische Vielfalt entstehen. Darüber hinaus ist die Hefeölproduktion unabhängig von den Auswirkungen des Klimawandels und kann fast überall in dezentralen Anlagen produziert werden. Die Brück-Gruppe ist weltweit führend in der Hefeölproduktion. Brück hat einen völlig neuen, zirkulären Bioprozess für die Hefeölproduktion entwickelt, der hohe Raum-Zeit- und Gesamtausbeuten ohne Entstehung von Abfallströmen ermöglicht. Die Hefe wird zunächst auf einem zuckerreichen Biomassehydrolysat gezüchtet, das aus verschiedenen Biomasseabfällen gewonnen wird (z. B. Holzreste, Getreidestroh/-kleie, Altbrot oder Schwarzlauge aus der Papieraufbereitung). Eine eigens entwickelte Nährstoffzufuhrstrategie ermöglicht erstmals die gleichzeitige Produktion von Biomasse und intrazellulärem Öl, so dass die Biomasse bereits nach drei Tagen geerntet werden kann. Je nach den Prozessbedingungen erzeugt dieser Prozess ein Palm-, Rapsöl- oder Kakaobutteräquivalent mit denselben chemischen und physikalischen Eigenschaften wie die pflanzlichen Quellen. Die Brück-Gruppe setzt dann eine firmeneigene Enzymformulierung ein, die die Hefezellwand auflöst und die Rückgewinnung des Hefeöls durch einfache Zentrifugation ermöglicht. Während das gewonnene Öl direkt in verschiedenen Anwendungen (z. B. Lebensmittel, Biokraftstoff, Kosmetika) verarbeitet werden kann, werden die verbleibenden Zellwandreste in der nächsten Fermentationscharge wiederverwendet. Bei dem Verfahren wird Wildtyp-Hefe für Lebensmittel und kosmetische Anwendungen verwendet, um regulatorische Beschränkungen zu umgehen. Daher ist das Verfahren frei von GVO, verwendet keine organischen Lösungsmittel zur Produktrückgewinnung und erzeugt keine Abfallströme. Das von Brück entwickelte FHCR-Verfahren senkt die Produktionskosten im Vergleich zu herkömmlichen Hefeölverfahren um 85%. Darüber hinaus hat das Brück-Verfahren eine überlegene Flächen- und Treibhausgaseffizienz, da die Produktion auf 1 ha Industriefläche so viel Hefeöl erzeugt, wie auf 80.000 ha Ölpalmen-Monokulturen produziert werden kann, wodurch 16 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente an Treibhausgasen eingespart werden. Dieses Technologieportfolio war die Grundlage für die Gründung der Global Sustainable Transformation GmbH (https://gstransform.de/en/), die nun weltweit B2B-Lösungen für die Hefeölproduktion für Industriekunden anbietet, die interne oder externe Biomasseströme verwerten. Die Technologie ist somit ein Schritt in Richtung einer zirkulären Bioökonomie. Die auf mikrobielle Öle ausgerichtete Forschung der Brück-Gruppe zielt auf die SDGs 2, 4, 6, 7-15

3. Designerzellen für die nachhaltige Produktion bioaktiver Verbindungen
In den letzten 30 Jahren wurden etwa 50 % aller klinisch relevanten Arzneimittel aus Naturprodukten gewonnen. Diese Zahl erhöht sich beträchtlich, wenn man Aroma- und Nutrazeutika hinzurechnet, die zum menschlichen Wohlbefinden und zur Gesundheit beitragen. In diesem Zusammenhang sind Terpene die zahlreichste und strukturell vielfältigste Familie von Naturstoffen (z. B. Artemisinin und Taxol). Die meisten Terpene sind Sekundärmetaboliten, die in winzigen Mengen in der natürlichen Quelle (d. h. Pflanze, Tier) vorhanden sind. Daher ist die natürliche Ernte und Extraktion für die industrielle Nutzung kostspielig und mit negativen Auswirkungen auf das Ökosystem verbunden. Darüber hinaus weisen diese Verbindungen in der Regel chemisch komplexe Strukturen auf, die eine langwierige und kostspielige chemische Synthese erfordern, die mit giftigen Abfallströmen und hohen Energieumwandlungsschritten verbunden ist. Eine nachhaltige Lösung für den Zugang zu diesen bioaktiven Verbindungen ist die rekombinante Produktion in metabolisch optimierten mikrobiellen Wirten wie E. coli oder Bäckerhefe. Die Übertragung der genetischen Maschinerie von der natürlichen Quelle (Pflanze, Tier) auf den mikrobiellen Wirt ermöglicht eine kosteneffiziente, gezielte Produktion der gewünschten Verbindungen mit Hilfe industriell etablierter Fermentationstechnologie ohne toxische Nebenströme. In den letzten zehn Jahren hat die Gruppe Brück neue biosynthetische Gencluster identifiziert, die für einzigartige bioaktive Naturstoffe kodieren und eine nachhaltige Produktion bioaktiver Verbindungen in mikrobiellen Wirten ermöglichen. Darüber hinaus ermöglichte die Anwendung fortschrittlicher bioinformatischer und strukturbiologischer Werkzeuge die mechanistische Charakterisierung von Schlüsselenzymen der Terpensynthase, die als Torwächter für die rekombinante Terpen-Bioproduktion dienen. Die Gruppe Brück nutzte diese Informationen für die gezielte genetische Manipulation von Terpensynthasen, um nicht-natürliche Produkte mit alternativen Bioaktivitäten zu erzeugen und so den Produkt- und Anwendungsbereich der ursprünglichen Verbindungsklasse zu erweitern. Eine der wichtigsten Errungenschaften war die rekombinante Herstellung von Isoelisabethatrien, einer Vorstufe von Pseudopterosin mit antibakterieller und entzündungshemmender Wirkung. Pseudopterosine werden derzeit in der Kosmetikbranche eingesetzt. Allerdings werden diese Verbindungen nicht nachhaltig aus der karibischen Weichkoralle Antillogorgia elisabethae gewonnen, wodurch Korallenriffe zerstört werden, die eine wichtige natürliche Kohlenstoffsenke und einen Hotspot der biologischen Vielfalt darstellen. Brücks synergetische Kombination von synthetischen und systembiologischen Methoden zusammen mit fortschrittlichen bioinformatischen Werkzeugen sind ein wichtiger Schritt in Richtung einer skalierbaren und nachhaltigen Produktion von Pseudopterosinen, die Korallenriffsysteme und ihre empfindliche marine Biodiversität schützen würden, die eine noch nicht ausreichend genutzte Schatzkammer für neue bioaktive Verbindungen darstellt. Die Technologie wurde patentiert und befindet sich derzeit auf dem Weg zur Kommerzialisierung, wodurch die SDGs 3, 12, 13, 14 und 15 der Vereinten Nationen erfüllt werden.

4. Biotechnologie der Pilze
Filamentöse Pilze sind die mikrobielle Recycling-Maschinerie in der Natur, die für den die für den Abbau und das Recycling von Biomasse verantwortlich sind. Die ökologischen Wechselwirkungen von Pilzen mit anderen Organismen und organischem Material in terrestrischen und marinen Ökosystemen sind komplex und noch wenig erforscht. Die Gruppe Brück isoliert und charakterisiert neue Pilze aus komplexen Umweltproben im Hinblick auf ihre hydrolytischen Enzymaktivitäten und ihr Potenzial zur Bildung bioaktiver Naturstoffe und Aromastoffe. Ein Haupt-Forschungsschwerpunkt ist die Produktion und molekulare Charakterisierung neuer hydrolytischer Enzymaktivitäten, die es uns ermöglichen, komplexe polymere Zucker wie Cellulose, Pektin und Chitin zu hydrolysieren (verflüssigen), die in biogenen Stoffströmen wie kommunalem Klärschlamm, Holzhackschnitzeln, Getreidestroh und Pilzzuchtabfällen oder noch unerforschten Biomasseabfallströmen enthalten sind. Die resultierenden Biomassehydrolysate, die vergärbare Zucker enthalten, werden als Fermentationsmedien in den in den Abschnitten 1 bis 3 beschriebenen mikrobiellen Fermentationen verwendet. Darüber hinaus erzeugt die Kultivierung der eigenen Pilzstämme bei der Kultivierung komplexer Biomasse-Abfallströme Aromastoffe. Diese flüchtigen Verbindungen werden während der Pilzkultivierung aufgefangen und verflüssigt und können als Aroma- und Geschmacksstoffe in Lebensmitteln und kosmetischen Anwendungen eingesetzt werden. Das verbleibende Pilzmyzel wird als Isoliermaterial in nachhaltigen Bauanwendungen verwendet. Die pilzzentrierten Technologien der Brück-Gruppe adressieren die SDGs 2, 4, 6, 7-15.

5. Zellfreie Produktionssysteme für die Erzeugung erneuerbarer Chemikalien
Nicht alle chemischen Verbindungen können in kontrollierten Bioreaktorsystemen mit Ganzzell-Biokatalysatoren in industriell relevanten Titern hergestellt werden. Dies gilt insbesondere für Verbindungen, die bei hohen Titern für zelluläre Systeme toxisch werden, in Wasser schwer löslich sind oder auf gasförmige Edukte angewiesen sind. Beispiele sind die Produktion von mittelkettigen Alkoholen (z.B. Butanol, Hexanol) und Fettsäurederivaten (z.B. Fettalkohole, Wachsester), die für die Produktionsorganismen toxisch und/oder in höheren Konzentrationen wasserunlöslich sind. Um an diese Verbindungen heranzukommen, wendet die Gruppe Brück bioinformatisch getriebene ab-initio Designprinzipien an, um natürliche und künstliche Enzymkaskaden zu erzeugen, die das biokatalytische System von den Randbedingungen eines zellulären Systems befreien.
Bei Bedarf werden einzelne Enzymaktivitäten einer gezielten Mutagenese oder Richtungsentwicklung unterzogen, um ihre Aktivitäten an ein gewünschtes Substrat oder eine Prozessbedingung anzupassen oder zu verbessern. Dieser Prozess beinhaltet ausgeklügelte Hochdurchsatz-Selektionsmethoden, die die umfangreiche Roboter-Infrastruktur, wie z.B. automatisierte Pipettierplattformen, Kolonie-Picking-Roboter und Nano-Tropfen-Screening-Plattformen, die in der Brück-Gruppe zur Verfügung stehen, erfordern. Ein Beispiel für künstliche Kaskaden ist die Umwandlung von aus Lignozellulose gewonnenen Zuckern in Isobutanol, einer Plattformchemikalie für den Chemie- und Biokraftstoffsektor. Die zellfreien Prozesstechnologien der Brück-Gruppe sind auf die SDGs 2, 4, 6, 7, 9, 11, 13-15 ausgerichtet.
